1938: Als „Aktionsjuden“ nach Buchenwald verschleppt
Im Zuge der Novemberpogrome 1938 wies die Gestapo 30.000 Juden in die Konzentrationslager ein. Unter fast 10.000 nach Buchenwald verschleppten Männern, von der SS als „Aktionsjuden“ bezeichnet, waren auch einige Jugendliche.
Das Lager war für die Aufnahme von 10.000 neuen Häftlingen überhaupt nicht vorbereitet. Improvisiert untergebracht, wurden die jüdischen Häftlinge Opfer von Demütigungen, Schikanen und Gewalt. Etliche Gefangene wurden auch von der SS ermordet oder starben an den Folgen der Haftbedingungen. Die meisten Überlebenden, darunter fast alle Jugendlichen, wurden nach einigen Wochen wieder freigelassen. Ziel des NS-Regimes war es zu diesem Zeitpunkt noch, die deutschen Jüdinnen und Juden durch Gewalt und Terror zur Auswanderung zu veranlassen.
Schaulustige vor der brennenden Synagoge in der Gottschedstraße in Leipzig, 10. November 1938.
Überall im Deutschen Reich brannten die Nationalsozialisten im November 1938 die Synagogen nieder, drangen in Wohnungen und Geschäfte von Jüdinnen und Juden ein und misshandelten die Bewohner:innen. Vielfach sammelte sich vor den Synagogen ein schaulustiger Mob.
Anlass für die Pogrome war der Anschlag eines deutsch-polnischen Juden auf einen deutschen Diplomaten in Paris. Der staatlich organisierte Terror markierte den Übergang von der Ausgrenzung der Juden im Nationalsozialismus zu ihrer systematischen gewaltsamen Verfolgung.
(Sächsisches Staatsarchiv)
„Ich kam also in die Schule mit meinem Fahrrad und wollte es in den Fahrradkeller tragen. Und da kam mir schon einer entgegen und sagte: ‚Heute ist keine Schule, die Synagogen brennen.‘ Und ich fuhr dann los mit meinem Fahrrad in die Gottschedstraße. Und da sah ich die große Gemeindesynagoge brennen, lichterloh. Ein paar hundert Meter weiter die orthodoxe große Synagoge […] Dann fuhr ich durch die Stadt. Und da habe ich dann alle möglichen jüdischen Geschäfte gesehen, wo die Scherben auf dem Fußweg lagen, wo die Waren aus den Schaufenstern gerissen worden waren. Am Augustusplatz sah ich das große Konfektionshaus Bamberger & Herz brennen. Also es war furchtbar. Die ganze Stadt war voller Scherben. Auch am Brühl zum Beispiel. Am Brühl war ja berühmt, der internationale Pelzhandel, der sehr stark in jüdischen Händen war. Und da war auch sehr viel kaputt und sehr viel von der SA kaputt gemacht worden.“
„Heute ist keine Schule, die Synagogen brennen.“ Erinnerung von Rolf Kralovitz an den Novemberpogrom 1938 in Leipzig, Interview von 2008.
(Gedenkstätte Buchenwald)
Vom Polizeipräsidenten Frankfurt (Main) ausgestelltes Dokument zum Schicksal der Familie Berberich, 3. Juni 1950.
Dem Dokument zufolge wanderten Sally und Edith Berberich mit ihrem Sohn Hans nach Cochabamba in Bolivien aus. Die Vornamen werden in dem Dokument aus der Nachkriegszeit mit den von den Nationalsozialisten 1938 zwangsweise hinzugefügten Namen Israel bzw. Sara aufgeführt.
Die Novemberpogrome 1938 lösten eine Auswanderungswelle aus. Bis zum Kriegsbeginn verließen etwa 120.000 Jüdinnen und Juden das Deutsche Reich. Ihr Eigentum mussten sie zurücklassen.
(Arolsen Archives)
Jugend im KZ Buchenwald
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