Naftali Fürst
Mit seinem Bruder aus Bratislava verschleppt
zugang
Schmuel Fürst wird am 20. Februar 1931 in Bratislava (Slowakei) geboren, sein Bruder Naftali am 18. Dezember 1932. Die Brüder stammen aus einer jüdischen Familie. Ab 1942 müssen sie in einem Zwangsarbeitslager in Sered leben.
Anfang November 1944 wird die gesamte Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert, dort werden die Brüder von den Eltern getrennt. Die SS räumt Auschwitz im Januar 1945, der 13-jährige Naftali Fürst und sein 14-jähriger Bruder werden zum KZ Buchenwald getrieben. Tagelang sind die beiden bei Minusgraden unterwegs, zunächst zu Fuß, dann in einem offenen Viehwaggon. Nach der Ankunft in Buchenwald kommen sie in den Kinderblock 66 im Kleinen Lager.
Schwer krank erlebt Naftali am 11. April 1945 die Befreiung des Lagers. Sein Bruder wird tags zuvor von der SS auf einen wochenlangen Todesmarsch geschickt. Erst am 9. Mai wird er, dem Tode nahe, befreit. Im Sommer 1945 finden sich die Brüder und Eltern in Bratislava wieder. Später emigrieren sie nach Israel.
Naftali Fürst im Kleinen Lager des KZ Buchenwald, 16. April 1945.
Nach seiner Ankunft in Buchenwald erkrankte Naftali Fürst schwer, er wurde ins Krankenrevier überstellt. Kurz nach der Befreiung fotografierten amerikanische Kriegsberichterstatter unter anderem die abgemagerten Häftlinge im Kleinen Lager. Naftali Fürst erkannte sich auf diesem Foto wieder.
(Foto: Harry Miller, Gedenkstätte Buchenwald)
„Vor 75 Jahren war ich ein zwölfjähriger Junge, der im Konzentrationslager Buchenwald befreit wurde. Ich kam aus Auschwitz – nach einem Todesmarsch und einem Transport im offenen Waggon bei einer Kälte von minus 25 Grad Celsius. Es war der 23. Januar 1945. Ich bin für mein großes Glück dankbar. Ich bedanke mich bei allen mutigen Männern dafür, dass sie 21.000 Häftlinge, die nur noch Haut und Knochen waren, darunter ca. 900 Kinder, befreiten.“
Aus der Rede von Naftali Fürst zum Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung, 11. April 2020.
(Gedenkstätte Buchenwald)
„Allein auf der Welt, ohne Eltern, ohne Bruder, ohne Familie“. Interview mit Naftali Fürst über die Befreiung in Buchenwald im April 1945 und das Wiedersehen mit der Familie in Bratislava, 26. Januar 2021.
Zunächst glaubte Naftali Fürst, sein Bruder und seine Eltern hätten nicht überlebt. Im Sommer 1945 trafen sich die vier in Bratislava wieder.
(Gedenkstätte Buchenwald)
Verschleppt ins KZ
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Begrenzter Schutzraum:
Die Kinderblocks 8 und 66
zugang
Kinder waren den Gefahren des Lagers besonders schutzlos ausgeliefert. Um sie zu schützen, richteten politische Funktionshäftlinge im Juli 1943 im Block 8 des Hauptlagers einen Kinderblock ein. Im Kleinen Lager diente ab Januar 1945 die Baracke 66 als Kinderblock.
Die meisten Jugendlichen in den Kinderblocks waren zwischen 14 und 17 Jahre alt. Sie mussten nicht arbeiten, bekamen aber auch nur die Hälfte der geringen Essensrationen. Hunger war allgegenwärtig, doch bis Mitte 1944 war es möglich, illegalen Unterricht und kleine kulturelle Veranstaltungen zu organisieren.
Trotz aller Bemühungen der politischen Funktionshäftlinge, es zu verhindern, schickte die SS immer wieder Kinder auf Vernichtungstransporte u.a. nach Auschwitz. Am 10. April 1945 drang die SS in das Kleine Lager ein und schickte viele Minderjährige auf Todesmärsche. Bei der Befreiung am 11. April leben noch 900 Kinder und Jugendliche. Mindestens 1600 waren gestorben.
„ […] als wir in beißender Kälte und tiefem Schnee draußen am Appell standen, teilte der Blockälteste mit, dass sich alle Jugendlichen bis 16 zur Überführung in einen Kinderblock bei ihm melden sollten. Nach kurzer Pause brach plötzlich Panik aus. Wir alle witterten eine List. Die Jugendlichen hatten genug Erfahrung gesammelt, jeder dachte, dass es ein Trick sei, um uns fertig zu machen […]. Natürlich meldeten sich die meisten gleich zum Transport, für fast alle war es eine schicksalshafte Entscheidung. Nur sehr wenige von ihnen haben überlebt. Nach den Erfahrungen, die ich inzwischen in Buchenwald sammelte, hatte ich das Gefühl, dass man dem Blockältesten glauben könne.“
Bericht von Robert J. Büchler, 1994.
Robert J. Büchler (1929–2009) wurde als Jude verfolgt, die SS deportierte ihn im Januar 1945 im Alter von 16 Jahren von Auschwitz nach Buchenwald. Er wurde von Mithäftlingen im Kinderblock 66 des Kleinen Lagers untergebracht. Einen Tag vor der Befreiung schickte ihn die SS auf einen Todesmarsch, von dem er fliehen konnte.
(Robert J. Büchler, Am Ende des Weges. Kinderblock 66 im Konzentrationslager Buchenwald, in: Dachauer Hefte 6, 1994)
Antonín Kalina (vorne rechts) vor dem Block 66 im Kleinen Lager, nach dem 11. April 1945.
Ab Ende 1944 war der tschechische Kommunist Antonín Kalina (1902-1990) als Blockältester für die Kinder und Jugendlichen im Block 66 zuständig. Er nutzte seine Kontakte zum Lagerwiderstand und änderte Anfang April 1945 die Namen jüdischer Kinder, um sie vor den Todesmärschen zu schützen. Öffentliche Anerkennung für den 1939 nach Buchenwald Verschleppten gab es erst nach seinem Tod. 2012 wurde er durch die Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt.
(Gedenkstätte Buchenwald)
Befreite Jugendliche sitzen vor dem Block 62 im Kleinen Lager, zwischen dem 11. und 15. April 1945.
Im Kleinen Lager, in dem noch schlimmere Bedingungen als im Hauptlager herrschten, waren 1944/45 besonders viele Kinder und Jugendliche untergebracht. Sie waren mit Transporten aus den geräumten Lagern in Osten, u.a. aus Auschwitz, nach Buchenwald gekommen.
(Gedenkstätte Buchenwald)
Befreite Jugendliche vor dem Kinderblock 66, nach dem 11. April 1945.
Der von Funktionshäftlingen errichtete Kinderblock 66 rettete viele Kinder und Jugendliche vor der Deportation zur Zwangsarbeit in Außenlagern und damit vor dem Tod. Im Kinderblock waren die Jugendlichen auch besser vor Übergriffen durch erwachsene Mithäftlinge geschützt.
(Gedenkstätte Buchenwald)
Verlassene Unterkunft im Kinderblock 66 des Kleinen Lagers, April/Mai 1945.
Die primitiven dreistöckigen Holzverschläge als Betten waren charakteristisch für die Holzbaracken im Kleinen Lager. Kurz vor der Befreiung trieb die SS etliche Häftlinge auf Todesmärsche. Auf der Suche nach jüdischen Gefangenen wurden die Baracken durchsucht und verwüstet.
(Foto: Alfred Stüber, Gedenkstätte Buchenwald)
Jugend im KZ Buchenwald
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Jean Louis Netter
Ein jüdischer Schüler im KZ-Außenlager Holzen
zugang
Jean Louis Netter wird am 29. August 1928 in Paris geboren. Seit der deutschen Besetzung lebt er mit seiner Familie in einem Internierungslager für Juden bei Toulouse. Von dort deportiert ihn die Gestapo mit seinem Vater im August 1944 nach Buchenwald. Die Mutter und die Schwester kommen in das KZ Ravensbrück.
Im Herbst 1944 überstellt die SS den 16-jährigen Jean Louis und seinen Vater in das Außenlager Holzen im Weserbergland. Dort müssen sie Zwangsarbeit für die Rüstungsvorhaben „Hecht“ und „Stein“ leisten und werden im April 1945 auf einen Todesmarsch nach Bergen-Belsen getrieben.
Durch die Hilfe ihrer Mitgefangenen überleben Vater und Sohn. Die Mutter stirbt im März 1945 im KZ Ravensbrück, die Schwester wird durch das Schwedische Rote Kreuz gerettet. Nach seiner Befreiung im KZ Bergen-Belsen kehrt Jean Louis Netter nach Frankreich zurück und wird später Fabrikant in Paris.
Porträt von Jean Louis Netter. Zeichnung seines französischen Mithäftlings Camille Delétang, 2. Januar 1945.
Camillle Delétang zeichnete 1944/45 in Holzen heimlich fast 200 Porträts von Mithäftlingen. Jahrzehntelang galten sie verschollen, bis sie 2012 in Celle auftauchten. Dort waren sie im April 1945 während eines Todesmarsches von Holzen nach Bergen-Belsen verloren gegangen.
(KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora)
Karte der Arbeitsverwaltung im KZ Buchenwald für Jean Louis Netter, 1944.
Der handschriftliche Vermerk „tr Hecht“ [Transport Hecht] verweist darauf, dass der Schüler dem Untertage-Arbeitskommando „Hecht“ bei Holzen zugewiesen wurde. Ende 1944 bestand das Kommando „Hecht“ aus etwa 500 Häftlingen. Jean Louis Netter war der jüngste von ihnen.
(Arolsen Archives)
„…als ich einen französischen Häftling auf mich zukommen sah, der mir sagte: ‚Es scheint, dass Sie für das Krankenrevier einen Dolmetscher nötig haben.‘ Auf meine bejahende Antwort schlug er sich selbst vor, und ich akzeptierte ihn. Er fügte dann mit einigem Zögern […] hinzu, dass er seinen Sohn bei sich habe, der 15 Jahre alt sei. Ich verstand seinen Wunsch. […] So wurde Leo Netter der ‚Dolmetscher vom Revier‘ und Jean Louis, sein Sohn, Kalfaktor. Das war vielleicht nicht nach aller Geschmack, aber ich war sehr froh, meinen Dienst damit zu beginnen, dass ich dieses Kind vor den Arbeitskommandos schützte. Es hätte die Strapazen nicht überlebt, die dieser Winter mit sich brachte.“
Bericht von Armand Roux über die Rettung von Jean-Louis Netter, 1949.
Der französische politische Häftling Armand Roux wurde im September 1944 als Häftlingsarzt im KZ-Außenlager Holzen eingesetzt.
(Armand Roux, Im Zeichen des Zebras, Holzminden 2015)
„Der kleine Netter wurde ins Krankenrevier versetzt, wo er als ‚Stellvertreter‘ des Pflegers beschäftigt wurde. Er überlebte Dank der Fürsorge von Magister Homme und Dr. Roux.“
Bericht von Czesław Ostańkowicz über die Rettung des jungen Jean Louis Netter im Außenkommando Holzen, 1968.
Der polnische politische Häftling Czesław Ostańkowicz war Blockältester in Holzen.
(Czesław Ostańkowicz, Straszna góra Ettersberg, Łódź 1968)
Verschleppt ins KZ
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Rolf Kralovitz
Als ungarischer Jude aus Leipzig nach Buchenwald
zugang
Rolf Kralovitz wird 1925 geboren und verbringt seine Kindheit mit seinen Eltern und seiner Schwester Annemarie in Leipzig. Ab 1935 lebt der Vater in Ungarn. Von der 1942 beginnenden Deportation der Leipziger Jüdinnen und Juden in Ghettos im besetzten Osteuropa bleibt die Familie zunächst verschont, weil sie die ungarische Staatsbürgerschaft hat. Im Oktober 1943 werden Rolf, seine Mutter und seine Schwester aber doch von der Gestapo verhaftet. Mutter und Schwester werden nach Ravensbrück deportiert und dort ermordet, der 18-jährige Rolf wird in das KZ Buchenwald eingewiesen.
Dort kommt er in das Maurerkommando und ist zusammen mit anderen jüdischen Häftlingen in Block 22 untergebracht. Zeitweise arbeitet er im Lager auch als Friseur für die SS und Funktionshäftlinge. Am 11. April 1945 wird er in Buchenwald befreit.
Im Mai 1945 kehrt Rolf Kralovitz nach Leipzig zurück und siedelt 1946 nach Westdeutschland über. Er wird ein bekannter Schauspieler und Autor, 2015 verstirbt er in Köln.
Rolf Kralovitz als 14-Jähriger (hintere Reihe, zweiter von links) mit Freunden auf dem Schulhof der Carlebach-Schule, 1939.
Weil ihm der Besuch einer staatlichen Schule verboten war, besuchte Rolf Kralovitz seit 1935 die von Ephraim Carlebach geleitete „Höhere Israelitische Schule“ in Leipzig.
(Nachlass Rolf Kralovitz)
Bescheinigung über die ungarische Staatsangehörigkeit von Rolf Kralovitz, 6. April 1943.
Bis zur Besetzung Ungarns durch die Wehrmacht im Frühjahr 1944 schützte die ungarische Staatsangehörigkeit Jüdinnen und Juden vor der Deportation in Vernichtungslager. Max Kralovitz, der Vater von Rolf, lebte seit 1935 in Ungarn, konnte die Familie aber nicht nachholen. 1944 wurde er nach Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.
(Nachlass Rolf Kralovitz)
Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald von Rolf Kralovitz, 12. Oktober 1943.
Am 12. Oktober 1943 wurde Rolf Kralovitz mit vier weiteren männlichen Juden aus Leipzig in das KZ Buchenwald eingewiesen und als ungarischer jüdischer Häftling erfasst. Der Stempel „Hollerith erfaßt“ verweist darauf, dass seine Daten in einer Lochkarten-Kartei erfasst wurden. Diese dienten der Organisation der KZ-Zwangsarbeit.
(Nachlass Rolf Kralovitz)
Aufnahmebogen der Schreibstube im KZ Buchenwald für Rolf Kralovitz, 12. Oktober 1943.
Der handschriftliche Vermerk „Dikal“ („Darf in kein anderes Lager“) wurde von der Gestapo für jüdische Häftlinge angegeben, die die Staatsbürgerschaft eines verbündeten oder neutralen Landes hatten. Die Gestapo wollte den Zugriff auf diese Häftlinge behalten und verhindern, dass sie in andere Lager überstellt werden.
(Arolsen Archives)
Verschleppt ins KZ
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Rettungsinitiativen: Maurerschule und Polenschule
zugang
Unter dem Vorwand, Fachkräfte für die deutsche Kriegswirtschaft ausbilden zu lassen, starteten politische Funktionshäftlinge um den Kapo des Baukommandos Robert Siewert im Herbst 1939 eine Rettungsinitiative für jugendliche polnische Häftlinge: Sie überzeugen die SS von der Idee eines Maurerlehrlings-Kommandos. Mit der Maurerschule sollten die Minderjährigen vor der kräftezehrenden Zwangsarbeit in anderen Arbeitskommandos geschützt werden.
Im Frühjahr 1942 gelang es politischen Funktionshäftlingen, die sogenannte Polenschule einzurichten. Unter dem Vorwand, Sprachschwierigkeiten in den Arbeitskommandos überwinden zu müssen, organisierten sie für die Jugendlichen Deutschunterricht. Auch die Polenschule schützte vor auszehrender Zwangsarbeit.
Vor allem für polnische und später auch für jüdische Kinder und Jugendliche erhöhten sich durch die Maurer- und die Polenschule die Chancen auf ein Überleben im Lager.
Rettung durch das Mauererkommando. Holzschnitt „Durch Arbeit“ aus der Serie „Eine Freundschaft“ von Herbert Sandberg, 1947/49.
Der deutsche Grafiker, Karikaturist und Widerstandskämpfer Herbert Sandberg (1908–1991) durchlebte zehn Jahre Haft, die letzten sieben Jahre im KZ Buchenwald. Im April 1944 zeichnete er in Buchenwald eine Skizzenfolge, die seinen Weg seit der Einlieferung im Juli 1938 erzählt. Er arbeitete mit Ofen-Ruß und Schlämmkreide auf Papier und Leinenresten. Sandberg wurde 1941 in einer Gruppe jüdischer Häftlinge im Maurerhandwerk ausgebildet – das bewahrte ihn, als „nützlichen Arbeiter“, vor der Deportation nach Auschwitz. Nach der Befreiung fertigte er eine Serie mit den in Buchenwald entworfenen Zeichnungen an.
(Gedenkstätte Buchenwald)
„Die Kommunisten in der Häftlingsverwaltung erwirkten […] bei der SS die Erlaubnis, eine ‚Maurerschule“ einrichten zu dürfen. Im Lagerbau herrschte ‚Fachkräftemangel“. Offiziell sollte die Schule dazu dienen, Nachwuchs für das Baukommando anzulernen. Darum war sie ihm unterstellt und der Kapo des Kommandos ‚Maurer Truppengarage‘, Robert Siewert, erteilte den Unterricht. […] In dieser Schule überlebten wir den ersten Thüringer Winter.“
Bericht von Władysław Kożdoń, 2006.
Der polnische Pfadfinder Władysław Kożdoń (1922-2017) wurde im Oktober 1939 kurz nach seinem 17. Geburtstag in das KZ Buchenwald eingewiesen und kam in die Maurerschule.
(Władysław Kożdoń, „…ich kann dich nicht vergessen“. Erinnerungen an Buchenwald, Göttingen 2007)
Robert Siewert (links) im Gespräch mit dem „Buchenwaldkind“ Stefan Jerzy Zweig und Bruno Apitz (rechts) in Weimar, 9. Februar 1964.
Robert Siewert (1887-1973) war als Kapo eines Baukommandos Initiator der Maurerschule. 1945 wurde er Innenminister von Sachsen-Anhalt, verlor diesen Posten aber 1950 im Rahmen stalinistischer Säuberungen innerhalb der SED. Später arbeitete er im Bauministerium der DDR.
(Foto: Friedrich Gahlbeck, Bundesarchiv)
„Wir lernten neue Vokabeln in Deutsch kennen und mussten sie mehrmals wiederholen. Im Unterricht beschäftigten wir uns mit Grammatik, Rechtschreibung und Lesen. Es wurden auch Diktate geschrieben. Wir schrieben auf Schiefertafeln mit Griffeln, lasen von der Tafel und aus einigen Büchern. Bücher gab es wenige. Wir stellten Sätze zusammen, während die Fortgeschrittenen Nacherzählungen in der deutschen Sprache anfertigten und in Hefte schrieben.“
Erinnerungen von Włodzimierz Kuliński an den Unterricht in der Polenschule, undatiert.
Włodzimierz Kuliński wurde als 15-Jähriger aus Polen nach Buchenwald verschleppt. Der Deutschunterricht wurde von zwei polnischen Häftlingen erteilt. Am 29. November 1941 wurde der junge polnische Lehrer Henryk Sokolak mit Unterstützung des Lagerältesten Ernst Busse zum Leiter der Polenschule ernannt. Aufgrund der Bildungsunterschiede zwischen den Jugendlichen teilte Sokolak die Jungen in zwei Gruppen ein, um sie differenzierter unterrichten zu können.
(Gedenkstätte Buchenwald)
Jugend im KZ Buchenwald
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Gewalt
Hunger
Krankheit
Tod
Jeglicher Kontakt mit der Lager-SS war von Gewalt geprägt. Hunger war der ständige Begleiter auch für die Kinder und Jugendlichen im KZ. Durch die katastrophalen hygienischen Bedingungen häuften sich Krankheiten, vor denen es kaum Schutz gab.
Ständig lebten die Kinder und Jugendlichen in der Angst vor dem Tod. Viele Menschen, darunter Freund:innen und Verwandte, sahen sie sterben. Während die Kinder und Jugendlichen durch Hunger und Krankheit in ihrer körperlichen Entwicklung zurückblieben, wurden sie geistig ihrer Kindheit beraubt.
Gert Silberbard im Interview mit David P. Boder in Genf, 27. August 1946.
Mit 16 Jahren wurde Gert Silberbard aus Auschwitz nach Buchenwald deportiert. An den Entzug von Essen und Wasser nach der Ankunft im Kleinen Lager erinnerte er sich 1946 lebhaft.
(„Voices of the Holocaust“, Illinois Institute of Technology)
Speisen für einen ganzen Werktag
8 Uhr – Erstes Frühstück
1 Glas heiße Milch mit Butter und Honig
Brötchen mit Butter und Schinken
Brötchen mit Honig
Brötchen mit Konfitüre oder mit etwas Anderem.
11 Uhr – Zweites Frühstück
Eierkuchen mit Schinken und Rührei, in Paniermehl gewälzt
und in Butter gebraten.
Überbackene Nudeln mit Eiern, Honig
und zerlaufener Butter sowie Reisbratling
Nudeln mit Äpfeln, Butter und Brötchen
14 Uhr – Mittagessen
Klare Suppe (Graupensuppe) aus Hühnerbrühe und Semmelbrösel
oder dazu üppige gegossene Teignudeln
Gefülltes Rindfleisch mit Kartoffeln und Paprikasoße
Auflauf aus italienischen Nudeln mit geräucherter Wurst und Tomaten
Piroggen mit Leber
Dessert aus Gries mit Vanillesoße
Obstsüßspeise, Pudding aus Hirsegrütze mit Konfitüre
Ein Glas Eierlikör
17 Uhr – Vesper
Spargel in Tomatensoße
Blumenkohlbratlinge
Gelegte Nudeln mit Butter und Brötchen
Gefüllte Paprika mit Tomatensoße
Kartoffelpuffer mit Creme.
Der Speiseplan ist unvollendet. ES IST WIEDER ALARM!
Erträumter Speiseplan für einen ganzen Werktag von Maria Brzęcka, Dezember 1944.
Die damals 14-jährige Maria Brzęcka entwarf im Arbeitslager Meuselwitz einen Speiseplan für die Freiheit. An den Geschmack der meisten Gerichte konnte sie sich jedoch nicht mehr erinnern und bat die Frauen auf ihrer Stube, ihr den Geschmack zu beschreiben. Aufgrund eines Fliegeralarms blieb der Speiseplan unvollendet.
(Als Mädchen im KZ Meuselwitz. Erinnerungen von Maria Brzęcka-Kosk, Dresden 2016)
„Das aßen wir“. Zeichnung von Thomas Geve, 1945.
Der 16-jährige Junge verglich in seiner Zeichnung die Lebensmittelrationen in Auschwitz und Buchenwald, wo er am 11. April 1945 befreit wurde.
(Yad Vashem)
„Wir gingen also mit schweren, giftigen Rohstoffen um, nahmen alles ohne Schutzhandschuhe in die Hand, für uns waren keine Schutzmasken und Schürzen erforderlich, wir atmeten alle Gifte ein und standen bis zu den Knien in Salpeter. Die Einheimischen nannten uns »Zitronen«, weil unsere Haut so gelb verfärbt war.“
Éva Pusztai-Fahidi erinnert sich an die tödlichen Arbeitsbedingungen, 2011.
Die aus Ungarn verschleppte Éva Fahidi musste als Jugendliche im Außenlager Münchmühle schwere Zwangsarbeit leisten. Die Arbeitsbedingungen in der Munitionsfabrik waren mörderisch und vor gesundheitsgefährdenden Stoffen konnten sich die Häftlinge nicht schützen, da es für sie keine Schutzkleidung gab.
(Éva Fahidi, Die Seele der Dinge, Berlin 2011)
Gipsfresko aus einem Unterkunftsblock im KZ-Außenlager Ellrich-Juliushütte, angefertigt von Tanguy Tolila-Croissant im Herbst 1944.
Tanguy Tolila-Croissant wurde am 16. Oktober 1925 in Paris geboren. 1942 begann er ein Kunststudium an der Pariser École Nationale Supérieure des Beaux Arts. Im Juni 1944 wurde er wegen Widerstandes gegen die deutschen Besatzer verhaftet und im August 1944 in das KZ Buchenwald und wenig später nach Ellrich-Juliushütte deportiert. Dort versah er Wände in seinem Block mit Fresken. Aus der Zeit vor seiner Verhaftung sind viele ähnliche Bilder von ihm überliefert – mit einem Unterschied: Nie ist darauf wie hier ein toter Baum zu sehen. Tolila-Croissant starb am 30. Dezember 1944 im Alter von 19 Jahren.
(Deutsches Historisches Museum)
Erfahrungsräume
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Rückkehr nach Hause
zugang
Die befreiten Kinder und Jugendlichen wünschten nichts mehr, als nach Hause zu ihren Familien zurückzukehren. Für viele Überlebende war das aber nicht möglich. Jüdische Überlebende hatten oft alle Angehörigen im Holocaust verloren, ihre Heimatorte waren ausgelöscht. Berichte über Pogrome in Polen und Osteuropa schreckten vor einer Rückkehr ab.
Viele überlebende Kinder und Jugendliche wussten nicht, wo sich ihre Angehörigen aufhielten oder ob diese noch lebten. Die Alliierten und Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz halfen bei den Familienzusammenführungen.
Am schnellsten konnten Jugendliche aus Westeuropa, die als politische Häftlinge in die Lager verschleppt worden waren, nach Hause zurückkehren. Viele waren Anfang Mai 1945 schon wieder bei ihren Familien. In ihren Heimatgemeinden wurden sie mit öffentlichen Ehrungen empfangen. Sie galten als Helden der Résistance.
„Mitte Mai [1945] waren die meisten Häftlinge, deren Gesundheit wiederhergestellt war, in Ihre Heimatländer abgereist. Aber es gab Ausnahmen: die Spanier, die Caudillo Franco den Nazis ausgeliefert hatte, zogen es vor, lieber im Exil zu bleiben als in ein Land zurückzukehren, das noch in der Hand eines Diktators war. Viele der Polen waren verunsichert über die Politik und die neuen Grenzen ihres wiedergeborenen Staates und wollten daher erst die weiteren Entwicklungen abwarten. Überlebende Juden aus Polen, Ungarn und Rumänien fürchteten sich davor, in Länder zurückzukehren, deren jüngste Vergangenheit von den grauenhaften Folgen des Antisemitismus geprägt war.“
Thomas Geve über die Probleme bei der Heimkehr nach der Befreiung, 2000.
In seinem autobiografischen Bericht schildert Thomas Geve die Unmöglichkeiten der Heimkehr, insbesondere für osteuropäische Jüdinnen und Juden.
(Thomas Geve, Aufbrüche. Weiterleben nach Auschwitz, Konstanz 2000)
Westeuropäische Häftlinge verlassen mit Lastwagen die Kaserne Bergen-Hohne, 25. April 1945.
In der Kaserne Bergen-Hohne wurde im April 1945 als Teillager des KZ Bergen-Belsen Ziel von Räumungstransporten aus Mittelbau-Dora. Britische Truppen befreiten die Überlebenden am 15. April 1945. Zehn Tage später konnten bereits die ersten befreiten Häftlinge aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden heimkehren.
(IWM)
Roger De Coster am Tag nach seiner Rückkehr in seinen Heimatort bei Antwerpen, 29. April 1945.
Roger De Coster war 1944 als 16-Jähriger zusammen mit seinen älteren Brüdern und seinem Vater als politischer Häftling nach Buchenwald und von dort aus nach Mittelbau-Dora deportiert worden. Er gehörte zu den Befreiten, die am 25. April 1945 von Bergen-Hohne aus die Rückreise in die Heimat antraten. Am Tag nach seiner Heimkehr ließ er sich mit zahlreichen Blumensträußen fotografieren, die ihm bei der Rückkehr überreicht worden waren.
(Privatbesitz Familie De Coster)
„Samstags wurden wir überall in Belgien begrüßt. Wir kamen gegen vier Uhr nachmittags in Mol an, wo wir sehr gut aufgenommen wurden. Ich ging von dort mit der Familie Persoons, die gekommen war, um Jules Persoons abzuholen, und kam gegen Mitternacht nach Hause, wo alle ungeduldig auf Daddy, Willy, François und mich warteten. Das Wiedersehen war natürlich sehr emotional für mich, und die Freude war groß. Ich fragte nach Papa und Willy […]. Acht Tage später wusste ich, dass mein Vater am 2. Mai in einem Weimarer Krankenhaus gestorben war. François lebte noch. Er kam in Paris an und war am 9. Juni zu Hause. Ich war der erste, der aus meinem Dorf zurückkehrte, aber nach acht Tagen bekam ich Typhus und konnte dem Tod kaum entkommen. Glücklicherweise war ich nach ein paar Wochen wieder auf den Beinen und ein anderes Leben begann für mich.“
Bericht von Roger De Coster über seine Heimkehr am 28. April 1945, um 1991.
(François und Roger De Coster, Van Breendonk naar Ellrich-Dora, Berchem 2006)
Rückkehr eines „Nacht-und-Nebel“-Häftlings. Charles Brusselairs in Häftlingskleidung nach der Befreiung, 1945/46.
Charles Brusselairs war 1943 im Alter von 18 Jahren wegen Widerstandes gegen die deutschen Besatzer in Belgien verhaftet und auf Grundlage des „Nacht-und-Nebel-Erlass“ nach Deutschland verschleppt worden. Nach Aufenthalten in verschiedenen Gefängnissen kam er im Februar 1945 nach Buchenwald. Die SS trieb ihn Anfang April auf einen Todesmarsch nach Theresienstadt. Dort wurde er vier Wochen später von sowjetischen Soldaten befreit. Nach Monaten in Sanatorien kehrte er 1946 zu seiner Familie nach Belgien zurück.
(Privat)
Provisorischer Ausweise von Rolf Kralovitz, 5. und 17. Mai 1945.
Die US-Armee stellte Rolf Kralovitz in Buchenwald einen provisorischen Ausweis aus. Am 17. Mai wurde er offiziell entlassen und konnte in seine Heimatstadt Leipzig zurückkehren. Vermerkt war in dem Dokument ebenso die Zeit seiner Inhaftierung im KZ Buchenwald.
(Nachlass Rolf Kralovitz)
Von Imre Kertész ausgefüllter Fragebogen für Insassen der Konzentrationslager, 6. Mai 1945.
Imre Kerstész wurde 1929 in Budapest (Ungarn) geboren. Im Juli 1944 verhaftete ihn die Polizei, er wurde über Auschwitz nach Buchenwald deportiert. Nach seiner Befreiung durch die US-Armee füllte er einen Fragebogen aus. Als Grund seiner Inhaftierung notierte er lapidar „being a Jew“ [Jude sein]. Eine weitere Frage lautete: „Wohin beabsichtigen Sie zu gehen, falls Sie aus der Haft entlassen werden?“ Dort trug der 15-Jährige ein: „Budapest, Hungary“.
(Arolsen Archives)
„Nach ein paar Schritten erkannte ich unser Haus. […] Auf unserem Stockwerk klingelte ich dann an unserer Tür. […] Aus dem Türspalt schaute mich das gelbe, knochige Gesicht einer fremden Frau etwa mittleren Alters an. Sie fragte, wen ich suche, und ich sagte zu ihr, ich wohnte hier. ‚Nein‘, sagte sie, ‚hier wohnen wir‘ und wollte die Tür schon wieder schließen, was ihr aber nicht gelang, da ich den Fuß dazwischengestellt hatte. Ich versuchte ihr zu erklären, dass sei ein Irrtum, denn von hier sei ich weggegangen […].“
In seiner Erzählung beschrieb der spätere Literaturnobelpreisträger die Heimkehr seines autobiographisch inspirierten Protagonisten nach Budapest und die damit verbundenen Konflikte, 1975.
(Imre Kertész, Roman eines Schicksallosen, Berlin 2002)
NACH DER BEFREIUNG
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1938: Als „Aktionsjuden“ nach Buchenwald verschleppt
zugang
Im Zuge der Novemberpogrome 1938 wies die Gestapo 30.000 Juden in die Konzentrationslager ein. Unter fast 10.000 nach Buchenwald verschleppten Männern, von der SS als „Aktionsjuden“ bezeichnet, waren auch einige Jugendliche.
Das Lager war für die Aufnahme von 10.000 neuen Häftlingen überhaupt nicht vorbereitet. Improvisiert untergebracht, wurden die jüdischen Häftlinge Opfer von Demütigungen, Schikanen und Gewalt. Etliche Gefangene wurden auch von der SS ermordet oder starben an den Folgen der Haftbedingungen. Die meisten Überlebenden, darunter fast alle Jugendlichen, wurden nach einigen Wochen wieder freigelassen. Ziel des NS-Regimes war es zu diesem Zeitpunkt noch, die deutschen Jüdinnen und Juden durch Gewalt und Terror zur Auswanderung zu veranlassen.
Schaulustige vor der brennenden Synagoge in der Gottschedstraße in Leipzig, 10. November 1938.
Überall im Deutschen Reich brannten die Nationalsozialisten im November 1938 die Synagogen nieder, drangen in Wohnungen und Geschäfte von Jüdinnen und Juden ein und misshandelten die Bewohner:innen. Vielfach sammelte sich vor den Synagogen ein schaulustiger Mob.
Anlass für die Pogrome war der Anschlag eines deutsch-polnischen Juden auf einen deutschen Diplomaten in Paris. Der staatlich organisierte Terror markierte den Übergang von der Ausgrenzung der Juden im Nationalsozialismus zu ihrer systematischen gewaltsamen Verfolgung.
(Sächsisches Staatsarchiv)
„Ich kam also in die Schule mit meinem Fahrrad und wollte es in den Fahrradkeller tragen. Und da kam mir schon einer entgegen und sagte: ‚Heute ist keine Schule, die Synagogen brennen.‘ Und ich fuhr dann los mit meinem Fahrrad in die Gottschedstraße. Und da sah ich die große Gemeindesynagoge brennen, lichterloh. Ein paar hundert Meter weiter die orthodoxe große Synagoge […] Dann fuhr ich durch die Stadt. Und da habe ich dann alle möglichen jüdischen Geschäfte gesehen, wo die Scherben auf dem Fußweg lagen, wo die Waren aus den Schaufenstern gerissen worden waren. Am Augustusplatz sah ich das große Konfektionshaus Bamberger & Herz brennen. Also es war furchtbar. Die ganze Stadt war voller Scherben. Auch am Brühl zum Beispiel. Am Brühl war ja berühmt, der internationale Pelzhandel, der sehr stark in jüdischen Händen war. Und da war auch sehr viel kaputt und sehr viel von der SA kaputt gemacht worden.“
„Heute ist keine Schule, die Synagogen brennen.“ Erinnerung von Rolf Kralovitz an den Novemberpogrom 1938 in Leipzig, Interview von 2008.
(Gedenkstätte Buchenwald)
Vom Polizeipräsidenten Frankfurt (Main) ausgestelltes Dokument zum Schicksal der Familie Berberich, 3. Juni 1950.
Dem Dokument zufolge wanderten Sally und Edith Berberich mit ihrem Sohn Hans nach Cochabamba in Bolivien aus. Die Vornamen werden in dem Dokument aus der Nachkriegszeit mit den von den Nationalsozialisten 1938 zwangsweise hinzugefügten Namen Israel bzw. Sara aufgeführt.
Die Novemberpogrome 1938 lösten eine Auswanderungswelle aus. Bis zum Kriegsbeginn verließen etwa 120.000 Jüdinnen und Juden das Deutsche Reich. Ihr Eigentum mussten sie zurücklassen.
(Arolsen Archives)
Jugend im KZ Buchenwald
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Leben im befreiten Lager
zugang
Viele befreite Häftlinge befanden sich in einem beklagenswerten Zustand. Manche waren eher tot als lebendig. Trotz aufopferungsvoller Hilfe durch amerikanische Sanitäter und zivile Helfer:innen starben in den Wochen nach der Befreiung in Buchenwald und Mittelbau-Dora noch Hunderte Menschen an den Folgen der Haft. Manche hatten die fetthaltige Nahrung, die sie von den Helfenden bekommen hatten, nicht vertragen.
In Buchenwald brachten die Amerikaner die etwa 900 befreiten Kinder und Jugendlichen aus den verdreckten Lagerbaracken in bessere Unterkünfte, viele in die ehemaligen SS-Gebäude. Internationale Hilfsorganisationen und die U.S. Army organisieren Hilfe für die jungen Überlebenden. Der amerikanische Militär-Rabbiner Herschel Schacter blieb monatelang im Lager, um sich um die Waisenkinder zu kümmern und ihnen seelsorgerischen Beistand zu leisten.
Das Internationale Rote Kreuz liefert Medikamente in das befreite Lager Buchenwald, 17./18. April 1945.
In den ersten Tagen nach der Befreiung gab es einen akuten Mangel an medizinischer Versorgung. Insbesondere die schwer erkrankten und verhungernden Minderjährigen wurden vom Internationalen Roten Kreuz mit Medikamenten und Essen versorgt.
(Gedenkstätte Buchenwald)
Amerikanische Kongressabgeordnete besuchen befreite Häftlinge im ehemaligen Lagerbordell, das zu einer Krankenbaracke umfunktioniert wurde, 21. April 1945.
(Gedenkstätte Buchenwald)
„Zu dem Zeitpunkt, als diese Einheit das Lager übernahm, gab es etwa 21.000 Gefangene dort. Das größte Problem, vor welches die Einheit sich gestellt sah, war das der Hygiene. Die Wasserversorgung war infolge der Sprengung einer der Hauptleitungen unterbrochen worden. Die Toiletteneinrichtung war praktisch nicht existent und Hygiene jeder Art augenscheinlich unbekannt. Die Beleuchtung war unzulänglich, die Baracken waren schmutzig, die Baracken waren überfüllt, die Insassen waren unterernährt und mangelhaft bekleidet. […] Nach der Übernahme des Lagers begann die Einheit die Gebäude, in denen früher die SS-Wachen untergebracht waren, zu entlausen und zu säubern. Als diese Gebäude gesäubert waren, wurden die schlimmsten Fälle dorthin gebracht.“
Auszug aus dem Bericht des 120. U.S. Evacuation Hospital, 10. Juni 1945.
Die amerikanischen Befreier verfassten einen Bericht über die desaströsen hygienischen Bedingungen im befreiten Lager. Sie richteten ein Notfalllazarett ein.
(Gedenkstätte Buchenwald)
Jüdischer Gottesdienst in der Kinobaracke in Buchenwald, 18. Mai 1945.
Der US-Militärgeistliche Rabbi Herschel Schacter kam am 11. April 1945 mit der 3rd U.S. Army nach Buchenwald und blieb bis Juni im dortigen DP-Camp. Er setzte sich insbesondere für die jüdischen Waisen ein. Das Foto entstand bei einem der Gottesdienste: Der Junge, der mit kurzen Hosen in der ersten Reihe sitzt, ist Robert Büchler. Vor dem Rednerpult sitzend, mit Blick in die Kamera, sieht man den sechsjährigen Stefan Jakubowicz.
(Gedenkstätte Buchenwald)
„Er kam in Buchenwald an, als erster Jude, der Rabbi Schacter. Er machte ... zu dieser Zeit war Pessach oder so etwas. Er verteilte damals Matzen, und er veranstaltete Gottesdienste.”
Jurek Kestenberg erinnert sich im Interview mit David P. Boder an einen Gottesdienst mit Rabbi Schacter, 31. Juli 1946.
(„Voices of the Holocaust“, Illinois Institute for Technology)
„Vom Boden bis zur Decke waren Hunderte von Männern und einige Jungen hingen über dürren Strohsäcken und sahen auf mich herab, sahen auf mich herunter aus verwirrten Augen [...] Ich erinnere ihre Augen, wie sie herabschauten, herabschauten aus großen großen Augen – alles, was ich sah, waren Augen – gejagt, verkrüppelt, vor Angst paralysiert. Sie waren abgemagerte Haut und Knochen, halbverrückt, mehr tot als lebendig. Und da stand ich und rief auf Jiddisch: ‘Sholem Aleychem, Yiden, yir zent frey!’ ‘Ihr seid frei.’ Die Mutigeren von ihnen kamen langsam auf mich zu [...], um meine Armeeuniform zu berühren, um die jüdischen Geistlichen-Insignien zu betrachten, und fragten mich ungläubig: ‘Ist das wahr? Ist es vorüber?“
“Ihr seid frei!” Bericht von Rabbi Herschel Schacter, 1981.
(Gedenkstätte Buchenwald)
Überlebende des KZ Mittelbau-Dora in einem Sanatorium in Sülzhayn (Harz), 29. Juni 1945.
Einige Hundert Überlebende aus den Lagern des KZ Mittelbau brachten die Amerikaner zur Erholung in zwei Sanatorien im Kurort Sülzhayn bei Ellrich. Dort kümmerten sich Pfleger der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) um sie.
(Foto: Edward Vetrone, NARA)
Befreiungen
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Edouard Troupenat
Als Résistance-Kämpfer nach Buchenwald verschleppt
zugang
Edouard Troupenat wird am 31. August 1924 als einer von drei Söhnen des Landwirts Louis Henri Troupenat und seiner Frau Agathe in La Chapelle, einem kleinen Dorf in den französischen Alpen, geboren. Nach dem Schulabschluss wird Edourd Troupenat Landarbeiter.
1943 schließt er sich im Alter von 18 Jahren der Résistance an und beteiligt sich an militärischen Untergrundaktionen gegen die deutschen Besatzer. Im Mai 1944 verhaftet ihn die deutsche Feldgendarmerie. Mitte August wird er aus dem Lager Compiègne bei Paris in das KZ Buchenwald deportiert. Von dort überstellt ihn die SS im September 1944 in das Außenlager Holzen (Südniedersachsen), wo er Zwangsarbeit für eine Untertagefabrik des Volkswagenwerkes leisten muss.
Im April 1945 überlebt er einen Todesmarsch von Holzen in das KZ Bergen-Belsen, stirbt dort jedoch am 5. Mai 1945, drei Wochen nach der Befreiung durch britische Truppen. Er wird 20 Jahre alt.
Verschleppt ins KZ
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