Willy Blum
Das „vergessene“ Kind auf der Liste

verschleppt ins KZ

Willy Blum kommt am 26. Juni 1928 als achtes von zehn Kindern in Rübeland (im Harz) auf die Welt. Sein Vater Alois und seine Mutter Toni besitzen ein Marionettentheater, mit dem die Familie umherzieht. 1943 deportiert die Kriminalpolizei die Familie als „Zigeuner“ nach Auschwitz-Birkenau.
Am 3. August 1944, nach der Auflösung des „Zigeuner-Familienlagers“ Auschwitz, kommen Willy und sein zehnjähriger Bruder Rudolf nach Buchenwald. Ende September soll Rudolf zurück nach Auschwitz und damit in den sicheren Tod deportiert werden. Willy entscheidet sich, mit seinem Bruder zu gehen und meldet sich „freiwillig“ für den Transport, für den ursprünglich auch Stefan Jerzy Zweig vorgesehen war. Die beiden Brüder Willy und Rudolf werden vermutlich kurz nach ihrer Ankunft in Auschwitz von der SS ermordet.

Die bis 2018 ausbleibende Erinnerung an Willy Blum steht im Kontrast zu der weltberühmten heroischen Rettungsgeschichte des „Buchenwaldkinds“ Stefan Jerzy Zweig.

Die Marionettenspielerfamilien Blum und Elsner vor ihrem Wohnwagen. Der zweijährige Willy (Bildmitte) auf dem Arm seiner Schwester Anna, 1930.

Es handelt sich um das einzig erhaltene Foto von Willy Blum. Die Blums waren seit Generationen Schausteller:innen, die von Ort zu Ort zogen, um ihre Kunst darzubieten. Außer Willy und Rudolf überlebten alle Familienmitglieder.

(privat)

Häftlingspersonalbogen des KZ Buchenwald für den 16-jährigen Willy Blum, 3. August 1944.

Willy Blum kam am 3. August 1944 gemeinsam mit seinem zehnjährigen Bruder Rudolf mit einem Transport von Auschwitz nach Buchenwald. Als Grund seiner Verhaftung ist auf dem Dokument „Zigeuner“ angegeben.

(Arolsen Archives)

„… wogegen keine Bedenken bestehen“. Der Lagerarzt von Buchenwald bestätigt die Transportfähigkeit von Willy Blum, 23. September 1944.

Der Buchenwalder SS-Arzt Dr. Bender bescheinigte den beiden Sinto-Jungen Willy Blum und Walter Bamberger nach einer Untersuchung ihre Transportfähigkeit, beide „wollen auf Transport mit ihren Brüdern“.

(Arolsen Archives)

Zusatzblatt für die Transportliste nach Auschwitz, 25. September 1944.

Als Ersatz für Stefan Jerzy Zweig wurde unter der laufenden Nummer 200 Willy Blum eingetragen.

(Arolsen Archives)

Späte Erinnerung. Cover des Buches „Das Kind auf der Liste“ von Annette Leo, 2018.

Die Geschichte von Willy Blum und seiner Familie wird erst durch die Recherchen von Annette Leo rekonstruiert und 2018 veröffentlicht.

(Aufbau Verlag)

Weiterführende Informationen:

Gedenkstein für Willy Blum im Rahmen des Projektes „Gedenksteine Buchenwald-Bahn“:
gedenksteine-buchenwaldbahn.de.


Stefan Jerzy Zweig
Das berühmte Buchenwaldkind

verschleppt ins KZ

Stefan Jerzy Zweig wird am 18. Januar 1941 in Krakau als Sohn des Anwalts Zacharias Zweig und seiner Frau Helena geboren. Mit seinen Eltern und seiner acht Jahre älteren Schwester Sylwia durchlebt er das Krakauer Ghetto und mehrere Lager in Polen.

Im Sommer 1944 wird die Familie auf einem Transport getrennt. Die Mutter und Schwester kommen in das KZ-Außenlager Leipzig-Thekla und werden später in Auschwitz ermordet, der dreijährige Stefan wird zusammen mit seinem Vater nach Buchenwald deportiert. Dort gelingt es Zacharias Zweig mit Hilfe politischer Häftlinge, das Überleben seines Sohnes zu sichern.

Nach dem Ende des Krieges leben Vater und Sohn in Polen und Frankreich, später wandern sie nach Israel aus. Als das „Buchenwaldkind“ in Bruno Apitz‘ Roman „Nackt unter Wölfen“ (1958) wird Stefan Zweig weltberühmt. Er selbst erfährt erst nach der Verfilmung von 1963 von der fiktionalisierten Rettungsgeschichte. 1964 besucht er die DDR und lernt dort seine spätere Ehefrau kennen, mit der er seit 1972 in Wien lebt.

Häftlingspersonalkarte des dreijährigen Stefan Jerzy Zweig, 5. August 1944.

Stefan Jerzy Zweig wurde am 5. August 1944 gemeinsam mit seinem Vater Zacharias Zweig im KZ Buchenwald eingeliefert. Als Grund seiner Inhaftierung wurde die Klassifizierung als polnischer politischer Jude angegeben. Im oberen Bereich der Karte ist „Jude-Jugendlich“ vermerkt.

(Arolsen Archives)

Von der Liste gestrichen. Zweite Seite der Transportliste von Buchenwald nach Auschwitz, 25. September 1944.

Ende September 1944 ließ die SS einen Vernichtungstransport von 200 Kindern und Jugendlichen nach Auschwitz-Birkenau zusammenstellen. Auch Stefan Jerzy Zweig stand zunächst auf der Transportliste (Nr. 200). Um ihn zu retten, brachte ihn sein Vater auf die Typhusstation des Lagers und ließ ihm ein fieberbringendes Mittel injizieren. Auf diese Weise wurde Stefan für transportunfähig erklärt und entging dem sicheren Tod in Auschwitz. An seiner Stelle deportierte die SS den 16-jährigen Sinto Willy Blum nach Auschwitz.

(Arolsen Archives)

Nach der Befreiung. Stefan Jerzy Zweig auf einer Lagerstraße in Buchenwald, nach dem 11. April 1945.

Der vierjährige Stefan Jerzy Zweig vor den Häftlingsblöcken 47 (links) und 59 (rechts). Die warme Kleidung verdankte der Junge einigen Mithäftlingen, die diese für ihn besorgt und genäht hatten.

(Foto: Alfred Stüber, Privatbesitz)

„Ich traute meinen Augen nicht! Mein Kind war sehr schön angezogen. Es trug einen extra für ihn zugeschnittenen und in den Werkstätten für Häftlinge genähten Anzug. Es hatte eine gut zugeschnittene Bluse aus neuem Stoff, dunkelblau mit weißen Streifen, an. Es trug kurze Höschen und extra für ihn angefertigte neue Schühchen. Als ich kam, war es mit Spielzeug beschäftigt.“

Zacharias Zweig erinnert sich an die Lagerkleidung seines Sohnes in Buchenwald, 1987.

(„Mein Vater, was machst du hier…?“. Zwischen Buchenwald und Auschwitz. Der Bericht des Zacharias Zweig, Herausgegeben von Berthold Scheller in Kooperation mit Stefan Jerzy Zweig, Frankfurt a.M. 1987)

Eine antifaschistische Heldengeschichte. Pressefoto zum Film „Nackt unter Wölfen“, 1962.

In der von Apitz‘ fiktionalisierten Geschichte des Romans und in der DEFA-Verfilmung existierte der Vater von Stefan Jerzy Zweig nicht. Stattdessen wurde er von deutschen kommunistischen Kapos gerettet.

(Foto: Waltraut Pathenheimer, DEFA -Stiftung)

„Der Kampf um dieses Kind ist der Beweis von der Größe und Schönheit und nicht zuletzt vom Sieg des Menschen über die Barbarei.“

Bruno Apitz im Trailer zum DEFA-Film „Nackt unter Wölfen“ von Frank Beyer, 1963.

Die fiktionalisierte Rettung von Stefan Jerzy Zweig durch kommunistische Häftlinge im KZ Buchenwald diente in der DDR der Heroisierung des antifaschistischen Lagerwiderstands.

(DEFA-Stiftung)

Stefan Jerzy Zweig (links, mit Mütze) trifft bei einem Besuch der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald den Autor und ehemaligen Häftling Bruno Apitz (rechts), 1964.

Stefan Jerzy Zweig erfuhr erst 1964 von seiner Rolle in dem Roman „Nackt unter Wölfen“ und der Verfilmung. Journalisten spürten ihn in Frankreich auf, er wurde in die Gedenkstätte Buchenwald eingeladen. Das Treffen mit Apitz wurde propagandistisch inszeniert.

(Foto: Norbert Schwarz, Gedenkstätte Buchenwald)


Stepan Baz
Arbeitserziehungshäftling in Buchenwald

verschleppt ins KZ

Am 5. Mai 1927 wird Stepan Grigorjevitsch Baz in Nikolajewka (Ukraine) geboren. 1942 wird er zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Ab Juli 1942 muss der 15-Jährige als Zivilarbeiter in der Nähe von Halle arbeiten. Mitte des Monats meldet ihn seine Arbeitsstelle als flüchtig. Wenig später liefert ihn die Staatspolizei Halle über das Lager Watenstedt als Arbeitserziehungshäftling in das KZ Buchenwald ein.

Im Rüstungsbetrieb Gustloff-Werk II muss er schwere körperliche Zwangsarbeit leiten. Wegen angeblicher Sabotage steckt ihn die SS im Herbst 1942 in den Arrest, später wird ihm die rechte Hand amputiert. Fritz Unger und andere kommunistische Häftlinge finden den verletzten Jungen im Krankenbau und kümmern sich um ihn. Durch diese Hilfe überlebt Stepan Baz Buchenwald.

Zwei Wochen nach der Befreiung kehrt Baz zu seiner Familie in die Ukraine zurück. Dort heiratet er und bekommt mit seiner Frau zwei Kinder. Stepan Baz stirbt am 7. Dezember 2016.

Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald von Stepan Baz, 24. Juli 1942.

Stepan Baz wurde nach eigenen Aussagen am 5. Mai 1927 geboren, auf seiner Häftlingspersonalkarte und weiteren Dokumenten aus Buchenwald war er ein Jahr jünger. Im KZ Buchenwald wurde er als „AEH-Jugendlich“ registriert. Baz war einer der ersten jugendlichen Arbeitserziehungshäftlinge im Block 8, in dem ab 1942 vor allem Jugendliche und Kinder untergebracht waren.

(Arolsen Archives)

„Ich wollte aber nicht arbeiten für die Faschisten, und ich wurde dann in das Konzentrationslager geschickt. […] Im Konzentrationslager musste ich wieder arbeiten, du weißt schon: alle Prozeduren, die vorher geschehen sollten, und dann wieder zur Arbeit, ins Gustloff-Werk. Ich habe so gearbeitet, es gab dort zwei deutsche Kameraden – vielleicht Häftlinge – und ich sollte denen helfen, aber ich habe ‚umgekehrt‘ geholfen. Ich weiß nicht, wie ich das richtig nennen soll, es gab Mechanismen, die verschiedene Details ausschneiden mussten, und ich habe die nach und nach kaputt gemacht. Dann hat es der SS-Aufseher gesehen und hat mich mit nach oben genommen, zum Tor. Und dann haben die Verhöre angefangen […]. Sie haben mich mehrmals gefragt, haben mich sehr stark geschlagen, in die Zelle eingeschlossen.“

„…und ich habe die nach und nach kaputt gemacht“. Interview mit Stepan Baz über seine Sabotage im Gustloff-Werk, 2009.

(Gedenkstätte Buchenwald)

„Zustand nach Amputation“. Revierkarte von Stepan Baz aus dem KZ Buchenwald, 1942-45 (Vorder- und Rückseite).

Nach der Arresthaft amputierte ein SS-Arzt die rechte Hand von Stepan Baz. Die Folgen sind auf der Revierkarte vermerkt: Seine Wunden verheilten nicht, noch im Mai 1943 eiterte die Narbe. Bei Transportuntersuchungen, die ihn für Zwangsarbeitseinsätze freigeben sollten, wurde er mehrfach zurückgestellt und konnte dadurch in Buchenwald verbleiben.

(Arolsen Archives)

Zu Besuch in der DDR. Stepan Baz (l.) mit Fritz Unger, 1960er Jahre.

Dank der Hilfe von Fritz Unger und weiteren kommunistischen Funktionshäftlingen überlebte Stepan Baz nach der Amputation seiner Hand. 1962 nahm Stepan Baz Briefkontakt mit Fritz Unger auf. Sie besuchten sich gegenseitig in der DDR bzw. in der Sowjetunion. Die DDR-Presse berichtete in großer Aufmachung über die Rettung des jungen Ukrainers durch deutsche Kommunisten.

(privat)

Stepan Baz berichtet seinen Söhnen Witja und Tolja vom KZ Buchenwald, 1962.

Baz trat nach seiner Rückkehr in die Ukraine der Kommunistischen Partei bei und wurde später Vorsitzender einer Kolchose. Mit seiner Frau bekam er zwei Söhne. Die Rettungsgeschichte des Jugendlichen im KZ Buchenwald durch kommunistische Häftlinge wurde in der DDR-Presse mehrfach aufgegriffen. Bis kurz vor seinem Tod 2016 trat er als Zeitzeuge auf.

(„Und weil der Mensch ein Mensch ist…“, Hrsg. von der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, Bezirksvorstand Karl-Marx-Stadt, 1962)


Estare Weiser (geb. Kurz)
Im Konzentrationslager geboren

verschleppt ins KZ

Am 13. April 1945 wird das dem KZ Buchenwald zugehörige Außenlager HASAG Leipzig angesichts der nahenden US-Armee geräumt. Die etwa 5000 weiblichen Häftlinge werden auf Todesmärsche getrieben. Nur einige marschunfähige Frauen bleiben zurück. Zu ihnen gehört die polnische Jüdin Anna Kurz. Sie ist hochschwanger – und bringt noch am selben Tag ihre Tochter Estare zur Welt.

Wie durch ein Wunder überlebt das Kind. Am 19. April rücken die Amerikaner in Leipzig ein, befreien Mutter und Tochter und bringen sie in ein Krankenhaus. Im Juni 1945 können beide mit Hilfe des Roten Kreuzes in die Schweiz ausreisen. Dorthin gelangt ein Jahr später auch der Vater Abraham Kurz. Er hat das Buchenwalder KZ-Außenlager Schlieben und einen Todesmarsch nach Theresienstadt überlebt.

1951 reist Familie Kurz in die USA aus. Estare wird Geschichtslehrerin und heiratet 1967 den Psychiater David Weiser. Das Ehepaar lebt heute in New York und hat zwei Söhne und vier Enkelkinder.

Anna und Estare Kurz nach ihrer Befreiung aus dem KZ-Außenlager HASAG Leipzig, Sommer 1945.

Zu diesem Zeitpunkt wusste Anna Kurz noch nicht, dass auch ihr Mann Abraham überlebt hatte.

(Estare Weiser)

Die wieder vereinte Familie in der Schweiz, Sommer 1946.

Estare ist 15 Monate alt. Eigentlich hatte sie noch einen älteren Bruder. Doch die SS ermordete den dreijährigen Moishele 1944 im KZ Płaszów.

(Estare Weiser)

„Der Holocaust hat ihr Leben völlig verändert. Sie hatten ihre Familien verloren, ihr Zuhause, ihr Land, ihre ererbten Vorteile von Reichtum, ihre Verbindungen, die Verwurzelung in ihrer Kultur und familiäre Unterstützung. Meine Eltern waren das einzige Paar aus ihrer Stadt, von denen beide die Shoah überlebt hatten.“

Bericht von Estare Weiser über die Geschichte ihrer Eltern, 28. Mai 2020.

(storyworth.com)

Einlieferungsbogen des KZ Buchenwald für Estares Vater Abraham Kurz, 5. August 1944.

Abraham und Anna Kurz mussten zuvor Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb des Leipziger HASAG-Konzerns im besetzten Polen leisten. Als sich im Sommer 1944 die Rote Armee näherte, verlagerte der Konzern die Fabrikation nach Mitteldeutschland in Außenlager des KZ Buchenwald. Auf dem Bogen ist der Name der Ehefrau als „Channa K.“ angegeben, eingetragen ist zudem „keine Angeh[örigen]“. Sohn Moishele ist zu diesem Zeitpunkt bereits tot.

(Arolsen Archives)

Weiterführende Informationen:

Anne Friebel, Geboren im KZ – die Geschichte von Estare Weiser, in: Newsletter der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig, Ausgabe 9, Dezember 2020, S. 14 – 16.
zwangsarbeit-in-leipzig.de.


Suzanne Orts (geb. Pic)
Als Jugendliche in der Résistance

verschleppt ins KZ

Am 12. April 1927 wird Suzanne Pic in Séte (Frankreich) geboren. Im Mai 1940 überfällt die Wehrmacht Frankreich. Gegen die deutschen Besatzer und das neue Regime entstehen verschiedene Untergrundorganisationen, die sich 1943 zur Résistance zusammenschließen.

Auch die 16-jährige Suzanne wird in der Résistance aktiv. Während einer Widerstandsaktion wird sie 1944 verhaftet und nach Deutschland deportiert. Über das KZ Ravensbrück kommt sie im Juli 1944 in das spätere Buchenwald-Außenlager HASAG-Leipzig. Dort muss sie Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten.

Im April 1945 löst die SS das Lager auf und treibt die Frauen und Mädchen nach Osten. Die Jugendliche kann sich zusammen mit anderen Häftlingen vom Todesmarsch absetzen, wenig später werden sie von sowjetischen Soldaten befreit. Suzanne kehrt nach Paris zurück, heiratet Elie Orts und engagiert sich bis zu ihrem Tod 2018 in unterschiedlichen Überlebendenverbänden. 2006 erhält sie den französisch nationalen Verdienstorden.

Suzanne Pic vor der Deportation aus Frankreich, 1944.

Ihr Vater arbeitete als Steuerkontrolleur, die Mutter war Hausfrau und unter deutscher Besatzung ebenfalls in der Résistance aktiv.

(Privatbesitz Familie Madar)

Häftlingspersonalkarte des KZ Ravensbrück für Suzanne Pic, 23. Juni 1944.

Von Perpignan wurde Suzanne mit ihrer Mutter in das KZ Ravensbrück deportiert. Sie erhielt die Nummer 43155 und als politische Gefangene den roten Häftlingswinkel. In diesem ist die Kennzeichnung „F“ für Französin eingetragen.

(Arolsen Archives)

Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald für Suzanne Pic, 12. September 1944.

Im Juli transportierte die SS Suzanne und ihre Mutter nach Leipzig-Schönefeld. Dort hatte die SS im Juni 1944 das KZ-Außenlager HASAG Leipzig eingerichtet. Es unterstand zunächst dem KZ Ravensbrück, wurde dann aber Buchenwald unterstellt. Mit 5.000 Häftlingen war es das größte Frauen-Außenlager von Buchenwald.

(Arolsen Archives)

„12 Stunden Arbeit, eine Woche am Tage, eine Woche in der Nacht; sonntags ist Erholung. Hinzu kommt morgens und abends immer die Zeremonie der Appelle. Wecken um 4 Uhr. Wir stellen 7 Kilo schwere Luftabwehrgranaten her. […] Den ganzen Tag lang muß man diese 7 Kilo bewegen, von einem Tisch herunternehmen, um eine drehende Bürste halten, dabei mit einem Lappen voller Fett bestreichen und dann in den Wagen legen. Das ganze 200, 300, 400 Mal am Tag. […].“

Bericht von Suzanne Orts (geb. Pic) über die Zwangsarbeit als 17-jährige im Außenlager HASAG-Leipzig, 1993.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Selbstgemachte Schmuckstücke, 1944/45.

Suzanne Pic fertigte aus Materialresten heimlich einen Gürtel, eine Brosche und ein Kreuz an. 1944 veranstalteten die weiblichen Häftlinge in Leipzig ein kleines Weihnachtsfest, bei dem sie sich gegenseitig kleine Geschenke machten. Suzanne bekam ein Adressbuch aus Stroh, Wolle, Papier- und Stoffresten, in dem ihre Initialen „SP“ eingestickt sind.

(Gedenkstätte Buchenwald)

„Trotz des Unterdrückungssystems, mit dem versucht wurde, aus uns verschreckte und ängstliche Schafe zu machen, trotz der Schikanen und Strafen, mit denen man uns unsere Menschlichkeit rauben wollte, haben wir versucht, würdige und stolze Frauen zu bleiben.“

Selbstbehauptung im KZ. Bericht von Suzanne Orts (geb. Pic), 1993.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Suzanne Pic nach ihrer Rückkehr nach Frankreich, 1945.

Im Mai 1945 kehrten Suzanne und ihre Mutter zurück nach Paris. 1948 heiratete Suzanne Elie Orts. Aufgrund einer Tuberkulose-Erkrankung konnte sie ihre Schulausbildung nicht beenden.

(Privatbesitz Familie Madar)

Suzanne Orts (rechts) im Rahmen einer Gedenkveranstaltung zusammen mit anderen Überlebenden des KZ-Außenlagers in Leipzig, 13. April 1996.

Suzanne sprach mehrfach als Zeitzeugin mit Schüler:innen über ihre Erfahrungen und schrieb ihre Verfolgungsgeschichte in den 1990er Jahren auf. Sie nahm an Gedenkveranstaltungen in Leipzig teil, bei denen sie auch andere Überlebende, wie hier auf dem Foto Danuta Brzosko-Mendryk und Zofia Kolecka-Fugiel, wiedersah. Gemeinsam setzten sie sich für die Aufarbeitung der Geschichte des ehemaligen Außenlagers ein. Im Februar 2018 starb Suzanne Orts.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Weiterführende Informationen:

Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig: KZ-Außenlager „HASAG Leipzig“ – Größtes Frauenaußenlager des KZ Buchenwald,
zwangsarbeit-in-leipzig.de.


Zahava Szász Stessel (geb. Katalin Szász) Als ungarische Jüdin im KZ-Außenlager Markleeberg

verschleppt ins KZ

Katalin Szász wird am 19. Januar 1930 als Tochter von Margit und Sándor Szász in Abaujszántó (Ungarn) geboren. Nach der deutschen Besetzung wird die Familie im Mai 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert.

Die 14-jährige Katalin wird an der Rampe in Auschwitz als „arbeitsfähig“ selektiert. Zusammen mit ihrer Schwester wird sie über das KZ Bergen-Belsen in ein Außenlager des KZ Buchenwald nach Leipzig-Markleeberg deportiert. Für die SS müssen die Schwestern dort bis Ende März 1945 Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion leisten.

Im April 1945 werden Katalin und Erszebet auf einem Todesmarsch von sowjetischen Truppen befreit. In der Hoffnung, ihre Familie wieder zu treffen, kehren sie nach Ungarn zurück. Doch ihre Eltern sind tot. 1947 wandern die Schwestern nach Palästina aus. Dort heiratet Kalina und nimmt den Namen Zahava Szász Stessel an. Mit ihrem Mann emigriert sie 1957 in die USA, wo sie noch heute lebt.

Katalin Szász (rechts) mit ihrer Schwester, vor 1939.

Ihre Kindheit verbrachte Katalin bis 1944 mit ihrer jüngeren Schwester Erszebet (später nannte sie sich Hava), ihren Eltern und Großeltern in Ungarn. Die Familie besaß dort ein Geschäft für Kleidung, Schuhe, Kaffee und Bücher. Die antijüdischen Gesetze in Ungarn von 1939 und 1942 trafen das Familienunternehmen schwer. Katalin musste frühzeitig die Schule beenden, da sich ihre Eltern den Besuch nicht mehr leisten konnten.

(Zahava Stessel)

Transportliste von Bergen-Belsen nach Markleeberg, 17. Dezember 1944 (Seite 1 und 4 von 6).

Katalin und ihre Schwester (auf der Liste die laufenden Nummern 225 und 226) gaben sich an der Rampe in Auschwitz-Birkenau als älter aus, woraufhin sie als „arbeitsfähig“ selektiert wurden. Sie kamen zunächst in das KZ Bergen-Belsen. Im Dezember 1944 wurden beide mit 300 anderen Frauen und Mädchen zur Zwangsarbeit in das KZ-Außenlager Leipzig-Markleeberg überstellt.

(Arolsen Archives)

Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald von Katalin Szász, 17. Dezember 1944.

Im KZ-Außenlager Markleeberg wird sie als „polit. ungar. Jüdin“ registriert und erhält die Nummer 50226. Als Geburtsjahr ist 1926 vermerkt. Tatsächlich war sie vier Jahre jünger.

(Arolsen Archives)

Arbeitskarte des KZ Buchenwald von Katalin Szász, Dezember 1944.

Auf der Arbeitskarte von Buchenwald ist „Juma“ vermerkt, was für „Junkers-Werke-Markleeberg“ steht. 1000 ungarische Jüdinnen mussten dort für die Flugzeugproduktion arbeiten.

(Arolsen Archives)

„Nach einigen schrecklichen Arbeitseinsätzen in einem Steinbruch bekamen Hava und ich Aufgaben in Innenräumen. Hava wurde zufällig einer automatischen Maschine zugeteilt und ich bekam die Aufgabe, die Böden in der Fabrik um die Maschinen herum mit einem schweren Besen zu kehren.“

Bericht von Zahava Stessel über die Zwangsarbeit in Markleeberg, 2021.

Die Frauen wurden im Motorenwerk der Junkers-Werke eingesetzt, wo sie Flugzeugteile produzieren mussten. Katalin war zu klein für die Arbeit an der Maschine und erhielt die Aufgabe, herabfallende Metallspäne zusammenzukehren. Diese leichtere Arbeit rettete ihr das Leben.

(privat)

Die 16-jährige Katalin Szász im DP-Camp Indersdorf bei München, 1946.

Nachdem die Schwestern auf einem Todesmarsch von sowjetischen Soldaten befreit worden waren, kehrten sie nach Ungarn zurück. Sie hofften, wenigstens ihren Vater wiederzutreffen. Als sie erfuhren, dass keiner ihrer Familienangehörigen überlebt hatte, entschieden sie sich, nach Palästina auszuwandern. Von einem DP-Camp im Kloster Indersdorf aus reisten sie über Frankreich nach Palästina, wo sie im Februar 1947 ankamen.

(Zahava Stessel)

Zahava Stessel mit ihrer Schwester Hava Ginsburg in Leipzig-Markleeberg, 1998.

In den 1990er Jahren setzte sich Zahava Stessel zusammen mit anderen Überlebenden für die Neugestaltung der Gedenktafel am ehemaligen KZ-Außenlager in Markleeberg ein, die 1998 eingeweiht wurde. Zahava sprach mehrfach mit Schüler:innen über ihre Lager-Erfahrungen. 2008 wurde ihr die Ehrenbürgerschaft der Stadt Markleeberg verliehen.

(Gedenkstätte Buchenwald)


Maria Janina Kosk (geb. Brzęcka)
Zeichnen und Überleben im Außenlager Meuselwitz

verschleppt ins KZ

Am 3. Mai 1930 wird Maria Brzęcka in Łobżenica (Polen) geboren. Von 1940 bis 1944 lebt sie mit der Mutter und ihren Schwestern Halina und Krystyna in Warschau, wo sie die Grundschule besucht.

1944 werden die Mutter und die drei Töchter nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands in das KZ Auschwitz deportiert. Von dort kommen sie nach Ravensbrück und anschließend in das Außenlager Meuselwitz des KZ Buchenwald. Dort müssen sie in einer Munitionsfabrik Zwangsarbeit leisten. Ende November 1944 werden die vier getrennt, als die Mutter und die Schwester Krystyna nach Ravensbrück zurückgebracht werden.

Maria führt in Meuselwitz heimlich Tagebuch und fertigt zahlreiche Zeichnungen an. Am 5. Mai 1945 werden Maria und Halina auf einem Todesmarsch von sowjetischen Truppen befreit. Sie kehren nach Polen zurück und treffen dort die Mutter und ihre Schwester Krystyna wieder. Maria studiert Architektur und arbeitet später in Polen, Frankreich und Algerien. Im Jahr 2013 verstirbt sie in Warschau.

Weihnachten im besetzten Warschau. Maria Brzęcka (hinten) mit Schwester und Mutter, 1943.

1943 feiert Maria mit ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern Weihnachten im besetzten Warschau. Der Vater war seit 1939 als Soldat verschollen.

(Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig)

Foto Maria Brzecka in Warschau, 1944.

Beim Überfall der Wehrmacht auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs war Maria Brzęcka neun Jahre alt. Auf diesem Foto aus dem Jahr ihrer Deportation ist sie 14.

(Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig)

Häftlingspersonalkarte von Maria Brzęcka aus dem KZ Ravensbrück, 1944.

Am 18. September 1944 wurde Maria Brzęcka gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Schwestern aus Auschwitz in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück deportiert.

(Arolsen Archives)

Häftlingspersonalkarte aus dem KZ Buchenwald, Oktober 1944.

Das KZ Meuselwitz war ein Außenlager von Buchenwald, die Häftlinge wurden im Hauptlager registriert. Auf der Häftlingspersonalkarte wurde die 14-jährige mit dem roten Häftlingswinkel als politischer Häftling kategorisiert. Die vorherigen Aufenthalte in den Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrück sind ebenfalls vermerkt.

(Arolsen Archives)

„Mein Ballettunterricht“: Zeichnung aus dem KZ Meuselwitz, 8. Februar 1945.

Um der Lagerrealität zu entfliehen, zeichnete Maria Brzęcka. Hier stellte sie eine Erinnerung an ihren Ballettunterricht in Warschau dar.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Poesiealbum von Maria Brzęcka aus ihrer Zeit im KZ Meuselwitz

Auf dem Einband des Album sind der rote Winkel mit dem Buchstaben „P“ für Polin und die Nummer, die sie auf der Häftlingskleidung tragen musste, aufgenäht.

(Gedenkstätte Buchenwald)

„Eines Tages bereitete Halina mir eine angenehme Überraschung. Da ich endlich aus dem Magazin neue Holzschuhe bekommen hatte, bat meine Schwester Pani Jadwiga [eine Mitgefangene] um ein paar Stoffreste. Aus ihnen und aus Papier, das sie sich in der Fabrik genommen hatte, fertigte mir Halina ein Poesiealbum an, wie ich eines in Warschau besessen hatte. In das Buch trugen sich meine Freundinnen ein, meist mit einem Gedicht. Der Umschlag meines Poesiealbums war aus Karton, mit dunkelblauem Stoff überzogen, auf dem der Winkel mit dem roten Buchstaben P aufgenäht war. Darunter befand sich auf einem weißen Stoffstück meine Nummer 34933. Die freundlichen inhaftierten Frauen trugen sich in mein Album ein.“

Tagebucheintrag von Maria Brzęcka über die Entstehung des Poesiealbums im KZ Meuselwitz, Januar 1945.

(Als Mädchen im KZ Meuselwitz. Erinnerungen von Maria Brzęcka-Kosk, Dresden 2016)

Nach der Befreiung. Maria Brzęcka in ihrer Wohnung in Warschau, 1951.

Maria Brzęcka kehrte 1945 nach Warschau zurück. Sie studierte und wurde zu einer international erfolgreichen Innenarchitektin. 1958 heiratete sie den Elektrotechniker Janusz Kosk. Über ihre Erfahrungen als Jugendliche in verschiedenen Konzentrationslagern schwieg sie lange. Erst in den 1990er Jahren begann sie ihre Erinnerungen niederzuschreiben. 2016 wurden ihre autobiographischen Aufzeichnungen in dem Buch „Als Mädchen im KZ Meuselwitz“ auf Deutsch publiziert.

(Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig)


Egon Petermann
Als „Zigeuner“ erfasst, in Auschwitz ermordet

verschleppt ins KZ

Egon Petermann wird am 28. Februar 1930 in Berlin geboren. Dort verhaftet ihn die Kriminalpolizei am 5. März 1943 und lässt ihn nach Auschwitz-Birkenau deportieren. Die SS überstellt ihn im August 1944 zur Zwangsarbeit nach Buchenwald. Doch für die kräftezehrende Arbeit ist der 14-jährige Junge zu schwach. Deshalb wird er am 25. September 1944 auf die Liste für einen Vernichtungstransport nach Auschwitz gesetzt. Auf dieser Deportationsliste befinden sich auch Willy Blum und dessen zehnjähriger Bruder Rudolf.

Vermutlich wird Egon Petermann kurz nach seiner Ankunft in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ermordet.

Erzwungene Fotografie von Egon Petermann durch die „Rassenhygienische Forschungsstelle“, um 1940.

Das Reichgesundheitsamt ließ Sinti und Roma ab dem Jahr 1937/38 durch die Polizei zu sogenannten Rassegutachten vorladen. Die erstellten Listen wurden später für die Deportationen in die KZs verwendet.

(Bundesarchiv Berlin)

Häftlingspersonalbogen des KZ Buchenwald für Egon Petermann, 3. August 1944.

Im Zuge der Auflösung des „Zigeuner-Familienlagers“ in Auschwitz-Birkenau wurde Egon Petermann am 3. August nach Buchenwald überstellt. Der schwarze Stempel am unteren rechten Rand verweist auf seine Deportation zurück nach Auschwitz am 26. September 1944.

(Arolsen Archives)

Vermerk der Arbeitsverwaltung des KZ Buchenwald, 8. August 1944.

Von 918 Sinti und Roma aus Auschwitz, die am 3. August 1944 in Buchenwald eintrafen, waren mehr als 300 unter 18 Jahre alt. Fast alle Älteren wurden nach Mittelbau-Dora überstellt. Die jüngsten Häftlinge blieben in Buchenwald. Sie wurden wenige Wochen später nach Auschwitz zurückgebracht und ermordet.

(Thür. Hauptstaatsarchiv Weimar)

Deportationsliste für den 26. September 1944 vom KZ Buchenwald in das KZ Auschwitz, 25. September 1944.

Nummer 88 auf der Liste von 200 Personen ist der Häftling mit der Nr. 74728: Egon Petermann. Auf der selben Deportationsliste stand zuvor auch Stefan Jerzy Zweig, dessen Name gestrichen und durch den Sinto Willy Blum ersetzt worden war.

(Arolsen Archives)


Siegfried Reinhardt
Die Auslöschung einer ganzen Familie

verschleppt ins KZ

Am 21. Januar 1926 wird Siegfried Reinhardt in Schaffhausen bei St. Gallen (Schweiz) geboren. Er wächst in Müchen auf. Sein Vater Rudolf wird nach Kriegsbeginn als „wehrunwürdig“ aus der Wehrmacht entlassen und ins KZ Flossenbürg deportiert, 1942 wird er im KZ Mauthausen ermordet. Im Jahr darauf verhaftet die Münchener Polizei Siegfrieds Mutter und seine Geschwister und lässt sie in das „Zigeuner-Familienlager“ Auschwitz-Birkenau deportieren.

Siegfried Reinhardt wird 1942 von der Münchner Polizei verhaftet und muss eine Jugendstrafe verbüßen. Danach wird er ebenfalls nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Am 17. April 1944 überstellt ihn die SS ins KZ Buchenwald und von dort Mitte Mai 1944 in das Außenlager Harzungen des KZ Mittelbau-Dora. Dort muss er Zwangsarbeit im Stollenvortrieb leisten. Für März 1945 ist ein Aufenthalt im Krankenrevier des Lagers Dora überliefert. Danach verliert sich jegliche Spur des 19-jährigen Sinto.

Niemand aus der achtköpfigen Familie überlebt den Völkermord an den Sinti und Roma.

„Zigeuner!“ Erkennungsdienstliche Aufnahme von Siegfried Reinhardt durch die Kriminalpolizei, 1942.

Meist waren örtliche Behörden und die Polizei aktiv an der Ausgrenzung, Erfassung und Verhaftung der Sinti und Roma beteiligt. Im Jahr 1942 wurde Siegfried Reinhardt, nachdem er mehrmals der Schule ferngeblieben war, verhaftet. Er erhielt eine Jugendstrafe, die ihn ins Gefängnis brachte.

(Staatsarchiv München)

Haftgrund: „Arbeitsscheu – Zigeuner“. Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald von Siegfried Reinhardt, 17. April 1944.

Siegfried Reinhardt blieb nur wenige Wochen im KZ Buchenwald. Am 11. Mai 1944 überstellte ihn die SS in das Außenlager Harzungen, das im Oktober 1944 Teil des selbständigen KZ Mittelbau-Dora wurde.

(Arolsen Archives)

Der letzte Spur von Siegfried Reinhardt. Revierkarte aus dem KZ Mittelbau-Dora, März 1945.

Der Vorname wurde hier fälschlich als „Ziegfried“ angegeben. Am 16. März wurde dem 19-jährigen Siegfried Reinhardt ein Finger an der linken Hand amputiert, wie aus dem Dokument zu entnehmen ist. Er wurde am 31. März aus dem Krankenrevier entlassen. Danach verliert sich jegliche Spur von ihm.

(Arolsen Archives)


Franz Rosenbach
Von Wien über Auschwitz nach Mittelbau-Dora

verschleppt ins KZ

Franz Rosenbach wird am 29. September 1927 in Horaditz (Sudetenland) geboren. Im Februar 1943 wird die Familie Rosenbach verhaftet und in Wien inhaftiert. 1944 folgt die Deportation in das „Zigeuner-Familienlager“ Auschwitz-Birkenau. Von dort überstellt die SS den 16-jährigen Franz Rosenbach im April 1944 über das KZ Buchenwald in das Außenlager Mittelbau-Dora. Dort und im Außenlager Harzungen muss er schwerste Zwangsarbeit auf Baustellen leisten.

Anfang April 1945 überlebt er einen Todesmarsch Richtung Dessau. Franz Rosenbach schlägt sich in seinen Heimatort durch, findet aber keine Familienangehörigen mehr vor. Erst Anfang der 1950er Jahre trifft er seine Schwestern Julie und Mizi als die einzigen Überlebenden seiner Familie in Nürnberg wieder.

Franz Rosenbach muss jahrzehntelang um die deutsche Staatsbürgerschaft kämpfen, die er erst 1991 erhält. Er ist als langjähriger stellvertretender Vorsitzender für den bayerischen Landesverband der Sinti und Roma tätig. 2012 verstirbt Franz Rosenbach im Alter von 85 Jahren in Nürnberg.

Franz Rosenbach mit seiner Mutter Cäcilie, 1938.

In Österreich wuchs Franz Rosenbach im Kreise seiner Familie auf. Die Mutter Cäcilie Rosenbach starb im KZ Ravensbrück, seine älteste Schwester in Auschwitz.

(Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma)

Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald von Franz Rosenbach, 17. April 1944.

Aus dem Dokument geht hervor, dass Franz Rosenbach durch die Kriminalpolizei Wien verhaftet und anschließend als Zigeuner in das KZ Auschwitz deportiert wurde. Im April 1944 wurde er zur Zwangsarbeit über das KZ Buchenwald in das KZ Mittelbau-Dora überstellt.

(Arolsen Archives)

Franz Rosenbach erzählt im Interview mit der USC Shoah Foundation von seinen Erfahrungen als jugendlicher Zwangsarbeiter im KZ Buchenwald, im KZ Mittelbau-Dora und in Harzungen, 23. Oktober 1998.

(Visual History Archive)

„Wenn ich nicht verhaftet worden wäre, hätte ich meinen Beruf ausgelernt, hätte ich heute eine Rente vielleicht von fünfzehnhundert Euro oder zweitausend Euro. Ich steh kurz vor dem Ableben auf Deutsch gesagt. Jetzt muss ich zusammenkratzen, dass ich mein Sterbegeld zusammen krieg. Es ist wirklich traurig, aber es ist wahr.“

Kampf um Anerkennung und Entschädigung. Franz Rosenbach in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, 2012.

(Bayerischer Rundfunk)