Estare Weiser (geb. Kurz)
Im Konzentrationslager geboren

Am 13. April 1945 wird das dem KZ Buchenwald zugehörige Außenlager HASAG Leipzig angesichts der nahenden US-Armee geräumt. Die etwa 5000 weiblichen Häftlinge werden auf Todesmärsche getrieben. Nur einige marschunfähige Frauen bleiben zurück. Zu ihnen gehört die polnische Jüdin Anna Kurz. Sie ist hochschwanger – und bringt noch am selben Tag ihre Tochter Estare zur Welt.

Wie durch ein Wunder überlebt das Kind. Am 19. April rücken die Amerikaner in Leipzig ein, befreien Mutter und Tochter und bringen sie in ein Krankenhaus. Im Juni 1945 können beide mit Hilfe des Roten Kreuzes in die Schweiz ausreisen. Dorthin gelangt ein Jahr später auch der Vater Abraham Kurz. Er hat das Buchenwalder KZ-Außenlager Schlieben und einen Todesmarsch nach Theresienstadt überlebt.

1951 reist Familie Kurz in die USA aus. Estare wird Geschichtslehrerin und heiratet 1967 den Psychiater David Weiser. Das Ehepaar lebt heute in New York und hat zwei Söhne und vier Enkelkinder.

Anna und Estare Kurz nach ihrer Befreiung aus dem KZ-Außenlager HASAG Leipzig, Sommer 1945.

Zu diesem Zeitpunkt wusste Anna Kurz noch nicht, dass auch ihr Mann Abraham überlebt hatte.

(Estare Weiser)

Die wieder vereinte Familie in der Schweiz, Sommer 1946.

Estare ist 15 Monate alt. Eigentlich hatte sie noch einen älteren Bruder. Doch die SS ermordete den dreijährigen Moishele 1944 im KZ Płaszów.

(Estare Weiser)

„Der Holocaust hat ihr Leben völlig verändert. Sie hatten ihre Familien verloren, ihr Zuhause, ihr Land, ihre ererbten Vorteile von Reichtum, ihre Verbindungen, die Verwurzelung in ihrer Kultur und familiäre Unterstützung. Meine Eltern waren das einzige Paar aus ihrer Stadt, von denen beide die Shoah überlebt hatten.“

Bericht von Estare Weiser über die Geschichte ihrer Eltern, 28. Mai 2020.

(storyworth.com)

Einlieferungsbogen des KZ Buchenwald für Estares Vater Abraham Kurz, 5. August 1944.

Abraham und Anna Kurz mussten zuvor Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb des Leipziger HASAG-Konzerns im besetzten Polen leisten. Als sich im Sommer 1944 die Rote Armee näherte, verlagerte der Konzern die Fabrikation nach Mitteldeutschland in Außenlager des KZ Buchenwald. Auf dem Bogen ist der Name der Ehefrau als „Channa K.“ angegeben, eingetragen ist zudem „keine Angeh[örigen]“. Sohn Moishele ist zu diesem Zeitpunkt bereits tot.

(Arolsen Archives)

Weiterführende Informationen:

Anne Friebel, Geboren im KZ – die Geschichte von Estare Weiser, in: Newsletter der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig, Ausgabe 9, Dezember 2020, S. 14 – 16.
zwangsarbeit-in-leipzig.de.