Um dem von Gewalt und Todesangst geprägten Lageralltag zu entfliehen, nutzten viele Kinder und Jugendliche ihre Fantasie und versuchten sich durch Spiele in eine andere Welt zu begeben. Manche begaben sich auch zeichnerisch in Fantasiewelten.
Für die Kinder und Jugendlichen, die alleine ins KZ verschleppt worden waren, bildeten Kontakte zu Mithäftlingen eine Voraussetzung, den Überlebenswillen nicht zu verlieren. Die jungen Häftlinge spendeten sich gegenseitig Hoffnung und Trost. Überlebenswichtig waren Kontakte zu erwachsenen Funktionshäftlingen mit Einflussmöglichkeiten.
„Warst du im Lager Buchenwald, da oben ist es gar so kalt“. Gedicht und Zeichnung von Johann Stojka, 26. Februar 1945.
Der 15-jährige Rom wurde im Sommer 1944 mit seinem Bruder von Auschwitz nach Buchenwald verschleppt. In einem Heft hielt er seine Erfahrungen mit Versen und Zeichnungen fest. Hoffnungsvoll endet sein Gedicht mit den Worten: „Wir kommen doch noch einmal raus“. Die beiden Brüder überlebten als einzige ihrer Familie.
(Kazerne Dossin, Mechelen)
Zeichnung von Maria Brzęcka aus dem Außenlager Meuselwitz, 1944/45.
Um der Realität des Frauenlagers Meuselwitz zu entfliehen, zeichnete die damals 14-jährige Maria Brzęcka. Ein kleiner Bleistift und alte Kontrollscheine aus dem Werk, in dem sie Zwangsarbeit leisten musste, erlaubten Maria, sich ihre „eigene Traumwelt“ zu erschaffen. Sie zeichnete Szenen aus dem Leben vor dem Krieg, die sie sich von älteren Mithäftlingen schildern ließ. Daneben sind auch viele Zeichnungen von extravaganten Frauengestalten erhalten.
(Gedenkstätte Buchenwald)
Tagebuch von Leopold Claessens, 1./2. April 1945.
Auch das heimliche Führen von Tagebüchern oder Notizen war eine Strategie der Selbstbehauptung und des Überlebens. Der Belgier Leopold Claessens wurde im Alter von 19 Jahren als politischer Häftling in das KZ Mittelbau-Dora verschleppt. Im April 1945 überlebte er einen Räumungstransport in das KZ Bergen-Belsen. Das Tagebuch führte er rückwirkend nach seiner Ankunft in Bergen-Belsen und zeichnete auf, was er zu essen bekommen hatte.
(privat)
Blumen gegen Brot. Franz Rosenbach im Interview mit der USC Shoah Foundation, 23. Oktober 1998.
1944 kam Franz Rosenbach als 17-Jähriger Sinto nach Mittelbau-Dora. Im Lager war Hunger ein stetiger Begleiter. Um seine geringe Brotration aufzubessern, begann er in seiner freien Zeit Blumen zu pflücken und diese beim Blockältesten gegen Brot einzutauschen. Der Kontakt zu den privilegierten Funktionshäftlingen konnte überlebenswichtig sein.
(Visual History Archive)
„Mit Papi im Zoo“. Lagerkommandant Karl Otto Koch mit seinem Sohn Artwin im Zoo von Buchenwald, Oktober 1939.
1938 errichtete die SS auf dem Ettersberg einen Zoo. Er diente als Freizeitangebot für die SS und ihre Familien. Während für die im Lager leidenden Kinder Spielen nur begrenzt möglich war, befand sich der Zoo unmittelbar außerhalb des Lagerzauns. Dort vergnügten sich die Kinder des SS-Personals.
(Gedenkstätte Buchenwald)
„Humor war ein wesentlicher Teil unseres geistigen Widerstands. Und dieser geistige Widerstand war kurz gesagt die Voraussetzung für einen Lebenswillen. Das sage ich Ihnen als Exhäftling. Ganz gleich, wie selten er vorkam, wie sporadisch oder wie spontan, er war von großer Bedeutung. Von sehr großer Bedeutung!“
Humor als Überlebensmittel. Felicija Karay in einem Zeitzeugeninterview, um 2000.
Von Juli 1944 bis April 1945 musste die 17-jährige Felicija Schächter (verh. Karay) für die HASAG Leipzig Zwangsarbeit leisten. In einem Interview mit der Psychologin Chaya Ostrower beschrieb sie Humor als Mittel des geistigen Widerstands.
(Chaya Ostrower: Es hielt uns am Leben. Humor im Holocaust, Wiesbaden 2018)
Hasag ist unser Vater,er ist der Beste von allen,er verspricht uns vor allemlauter glückliche Jahre.In Leipzig man ein Paradies auf Erden hat,
Brot und Butter und Gemüsesalat,Luxuswohnungen statt einem Loch,saubere Pritschen, vier Etagen hoch,Toiletten und Duschen zu jeder ZeitUnd für jede Frau – ein Häftlingskleid!
Refrain:Denn der Kommandant, der will,dass hier nur Ordnung herrscht,zu Beruhigung der Nerven,bevor wir uns verwandeln,in Büchsen von Konserven […]
HASAG-Hymne. Humorvoller Gesang der Häftlinge, vor 1945.
Die Frauen und Mädchen, die im Außenlager der HASAG Leipzig Zwangsarbeit leisten mussten, dichteten eine humorvolle Hymne, die sie häufig gemeinsam sangen. Die Zustände im Lager wurden in satirischer Weise beschrieben.
(Felicija Karay: Wir lebten zwischen Granaten und Gedichten: Das Frauenlager der Rüstungsfabrik HASAG im Dritten Reich, Köln 2001)
Szene aus dem Märchen Schneewittchen. Gipsfresko des französischen Häftlings Georges Sanchidrian im KZ-Außenlager Ellrich-Juliushütte, 1944.
Georges Sanchidrian fertigte im Unterkunftsblock 4 des Außenlagers von Mittelbau-Dora farbige Wandbilder auf den mit Gips verputzten Wänden an. Einige Fresken mit Märchenszenen blieben erhalten. In dem Block waren neben Erwachsenen auch jugendliche Häftlinge untergebracht. Sanchidrian (geb. 1905) starb auf einem Todesmarsch im April 1945.
(Deutsches Historisches Museum)